Auf dem Weg zur „Gekläuten Uhr“
Nach der für unseren wie für alle Vereine niederschmetternden Corona-Pause machte sich ein kleines Schmölzche theaterwütiger Damen im Januar 2023 auf zu neuen Ufern. Die erfahrene Theaterspielerin Josi Feldmann bot ihre privaten Räume für Treffen und Proben an und ich, Beate Nielen, die Neue seit einem halben Jahr, und Irmi Freudenberger, die gerade eingetreten war, hatten uns dort schon im Herbst 2022 regelmäßig einmal pro Woche getroffen, um uns kennenzulernen und eine weihnachtliche Szene für eine Adventsfeier einzuüben und erfolgreich aufzuführen.
Im neuen Jahr 23 aber hieß es in Richtung „Wie geht es weiter?“ kreativ zu werden. Viele bereits gespielte Sketche oder Theaterszenen aus Vor-Corona-Zeiten lagen natürlich vor, aber nur drei Spielerinnen, davon zwei echte Kölsch-Sprecher, waren und sind neue Bedingungen, die neue Ansätze forderten. Da auch zunächst keine Einladung oder Auftrag vorlag, stürzten wir uns auf eine Theaterszene von James Krüss aus den 50ger Jahren, die ich aus der Schule noch im Gedächtnis hatte: „Die gestohlene Uhr“. Hier also nur 3 Rollen: Michel, der seine goldene Taschenuhr vermisst und vor den Augen seiner empörten Ehefrau Kathrin seinen harmlos-naiven Nachbarn Jost verdächtigt, muss lernen, dass er am Ende als voreiliger Angeber den Rückzug antreten muss. Das Ganze in Hochdeutsch und Reimform – wahrhaftig eine Herausforderung! Angesichts dessen, der übersichtlichen Länge, der netten Moral waren wir uns einig - das musste ins Kölsche übertragen werden. Dieses Ziel im Auge machten wir uns mit der Hilfe einer früheren Mitspielerin daran, das Stück zu übertragen, stellten unsere stückweise formulierten Versuche zusammen und erarbeiteten nach und nach eine gut klingende kölsche Version von Krüss‘ Theaterszene. Diese Phase war sowohl ganz neu - daher reizvoll - als auch erheiternd, musste man doch in etwa das vorgegebene Reimmaß erfüllen – nicht immer einfach in Kölsch. Aber das spornte uns nur noch an und als mitten dahinein eine Einladung als Programmpunkt für den Seniorentag in der Lutherkirche im Oktober hineinplatzte, war klar: annehmen und vorspielen!
Die Rollenverteilung bot sich irgendwie naturgemäß an und die umbenannten Charaktere Michel, Kathrin und Jost begannen als Pitter (Beate), Tring (Josi) und Jupp (Irmi) die Rollen zu lernen und über Kostüme, Requisiten und einfache Bühnenbilder nachzudenken. Letzte Corona-Erkrankungen nach Karneval und der Tod von Ingrid Boing waren natürlich Einbrüche, die uns aber vom großen Ziel nicht abbringen konnten. Kurz vor der Sommerpause stellte dann eine äußerst erheiternde erste Kostümprobe einen ersten Höhepunkt dieser zweiten Phase dar.
Nach der Sommerpause stieg die Spannung und wir spielten regelmäßig das Stück einmal die Woche durch. Dazwischen verwirklichten wir immer wieder neue Ideen, wie ein kleines Bühnenbild samt Requisiten, das die inhaltlichen Verhältnisse noch besser veranschaulichen konnte oder kleine Details an der Kostümierung die Rolle gut rüberbrachte. Das Auffinden der Uhr war immer wieder eine Herausforderung, da es ja nur in Josis Küche gespielt wurde, die nicht mit dem Ausmaß der „Bühne“, die eigentlich der evangelische Altartisch und Umgebung war, konkurrieren konnte. Plötzliche Gedächtnisausfälle, falsche Zeilen am falschen Ort häuften sich, je weiter der Proben-Nachmittag voranschritt und die „Batterien“ leer wurden - ja, lustig, aber auch beunruhigend mit Blick auf die Aufführung. Denn der Tag und damit der Höhepunkt unseres theatralischen Strebens nahte mit Riesenschritten.
Im Rahmen des besagten Seniorenfestes am 7. Oktober waren wir der dritte Programmpunkt von vieren. Etwa 60-80 Zuschauer saßen an Tischen, zur Bühne ausgerichtet und lauschten als erstes dem Frauen-Polizeichor, schauten danach dem andalusischen Tanz von zwei in dieser Tracht wunderschön gekleideten Tänzerinnen zu, um dann durch Wilfried Schmicklers bekannte empörte Tirade erheitert zu werden. Und dann sollten wir auftreten – Nervosität machte sich breit und kleine Missgeschicke steigerten diese: Ein Bügel von „däm Brell“ ging ab, zum Glück hielt sie auch ohne, das Doppelklebeband vom Bühnenbild hielt nicht, zum Glück half Tesafilm des Moderators, und kurz nach einer einleitenden Ansage zu unserem Stück wehte aus einem Heizungsgitter im Boden eine starker Abwind Josis Rock Marilyn-Monroe-mäßig in die Höhe - aber da glaubten die Leute offensichtlich schon, das Stück hätte bereits angefangen, zumal Josi wirkungsvoll „Huuch!“ schrie. Wir kamen aber, wie man so schön sagt, „gut durch“; die Stille im Saal und Konzentration der Leute beflügelte uns, kleine Lacher zwischendurch – Gott sei Dank! - kleine Versprecher oder Auslasser, die keiner erkannte – Gott sei Dank! - und ein rauschender Applaus am Ende - und wir die gefundene Uhr schwingend: selig, euphorisch, erleichtert, happy.
Der letzte Programmpunkt war dann ein musikalischer Vortrag Klaus des Geigers, ein echter Gegensatz zu unserem Stück – auch interessant! So ging ein spannender und bewegender Tag zu Ende, an dem wir zufrieden sagen konnten: Jo, dat hammer god gemaht – von dem Spass an dr Freud einmal ganz abgesehen.
Für das Theaterschmölzche – Beate Nielen